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Namen im alten Testament

Von Tileman Dothias Wiarda, 1799 (bearbeitet von Knud Bielefeld)

§ 35. … und dann auch aus dem alten Testament entnommen

Das Alte Testament, abgesehen von den Psalmen, wurde weniger gelesen und stand im geringeren Ansehen als das Neue Testament. Die darin genannten frommen Männer und Frauen waren Juden und keine Christen. Daher kannte man diese Personen teils weniger gut, teils aber wurde ihnen als Juden der Zugang zu den verehrten Heiligen verwehrt. Man verweigerte ihnen aber dennoch nicht die gebührende Achtung. Man betete zwar nicht zu ihnen, beugte sich nicht vor ihnen nieder, stellte sie nicht auf Altäre, doch verewigte man ihre Gestalt und Taten durch Gemälde und Statuen in Kirchen und Klöstern. Da in den Kalendern, die die Geistlichen vor der Erfindung des Buchdrucks hinter ihren Messbüchern und Brevierien erstellten, Gleichheit und Brüderlichkeit herrschte und darin die heiligen Männer und Frauen ohne Rangfolge nebeneinander standen, wagte man es sogar, einigen der hervorragenden Persönlichkeiten des Alten Bundes feste Plätze unter den Heiligen in den Kalendern zuzuweisen. Das hohe Ansehen dieser Personen ermöglichte es, dass man ihre Namen als Taufnamen übernahm. Diese Ehre erfuhren unsere Vorfahren Adam und Eva, der fromme Abel, die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob sowie deren Gemahlin Sara und Rebecca, der Priester Samuel, die Könige David und Salomo, der weitsichtige Jonathan, der fromme Tobias, die Propheten Jeremia, Jonas, Daniel und Elias, die keusche Susanna, die Patriotin Judith, die Königin Esther sowie die Engel Michael, Gabriel und Raphael. Dieses Verzeichnis zeigt, dass das Alte Testament, obwohl es eine deutlich größere Anzahl von Eigennamen enthält als das Neue Testament, dennoch keine so reiche Quelle für heutige Taufnamen war. Darüber hinaus können wir einige der hier genannten Namen ausmerzen. Der Apostel Jakob hatte wohl eher als der Patriarch Jakob die Veranlassung zu dem Taufnamen gegeben. Genau deshalb habe ich den Joseph und den Zacharias ausgelassen, weil diese Namen von bedeutenderen Figuren des Neuen Testaments übernommen wurden. Wir haben einen heiligen Bischof Abel, den Eremiten Abraham, die fromme Nonne Sara, den Bekenner Samuel, drei heilige Davids, den Märtyrer Jeremia, die Einsiedler Daniel und Elias und die Märtyrerin Susanna. Diese erdachten Heiligen könnten zu Ehren durch Zuspruch der Geistlichen allgemein geworden sein, oder aus Achtung für die Personen im Alten Testament, die diese Namen trugen. Auch bei den aus dem Alten Testament entlehnten Namen wird eine Auswahl erkennbar. Denn diese Namen zeigen schon auf den ersten Blick, dass sie von Männern und Frauen stammen, die sich durch ihren frommen Lebenswandel von anderen auszeichneten oder an sich besonders bemerkenswert waren. Auch hier fand man wieder eine Auswahl. Warum Elias und nicht Henoch? Weil jener im Glanz mit einem feurigen Wagen und Rossem in den Himmel fuhr, jener aber still aufstieg. Warum überging man Mose, den großen Anführer des Volkes Israel? Vielleicht weil Maler und Bildhauer ihn entstellten und mit Hörnern darstellten. Warum den Hohenpriester Aaron? Weil er zwar opferte, aber keine heilige Messe las. Warum den Priester der Gerechtigkeit, Melchisedek? Weil man nicht genau wusste, was man aus ihm machen sollte. Warum Simson? Weil seine Leidenschaft seine Stärke und Taten überwog? Und warum hat Esau, wegen seiner Liebe zur Jagd, trotz seiner besonderen Stellung nicht zum Glücksbringer bei der deutschen Oberschicht geworden? Weil ihm an Adel und Anstand fehlte und er seine Erbfolge für eine Linsensuppe verkauft hatte. Warum wurde Ruth verworfen und Judith gewählt? Weil sich jene aus Eigeninteresse bei Boas einschleichen wollte, um Land zu erwerben, während diese den Holofernes aus Patriotismus umarmte, um ihre Heimatstadt zu retten. Warum wurden Sara und Rebecca, nicht aber Lea und Rachel zu gebräuchlichen Taufnamen? Rachel konnte den Vorzug vor Lea nicht erhalten, weil sie nicht die Stammmutter des Erlösers war. Lea wurde verworfen, weil sie hässlich war. So schreckte auch der Gedanke vor Geschwüren die Väter ab, ihre Kinder nach dem Dulder Hiob zu benennen. Dagegen stand Tobias' Blindheit nicht im Wege, da er sie später wieder erhielt. Unter den Richtern hatte unbestreitbar der Priester Samuel und unter den Königen David als Held und Dichter und Salomo wegen seines Reichtums und seiner Weisheit den ersten Rang. Daher wurden von den Richtern und Königen nur die Namen Samuel, David und Salomo ausgewählt. Den ersten Propheten Jesaja musste man wegen der Namensähnlichkeit mit Jesus übergehen. Statt seiner wählte man den folgenden oder ihm nahstehenden Jeremia. Kein anderer Prophet tritt so stark als handelnde Person in Erscheinung wie Daniel. Seine vornehme Erziehung, Traumdeutungen, Gefängnis in der Löwengruft und der Kampf mit den Drachen machen ihn besonders bemerkenswert. Daher hat sein Name auch sehr verbreitet. Der Prophet Jonas zeichnete sich besonders durch die kurze Zeit aus, in der er im Bauch des Fisches gefangen war. Auch sein Name wurde ein Taufname. Keine der anderen Propheten genossen diese Ehre. Auch die Erzengel mussten nach ihren Taten und Würden geordnet werden. Der Name Michael ist sehr üblich, Gabriel kommt weniger vor und Raphael ist eine sehr seltene Erscheinung. Der Grund dafür liegt darin, dass die christliche Kirche dem Erzengel Michael ein besonderes Fest gewidmet hat und er in der Litanei die Reihe der Engel anführt, dass Gabriel die Geburt des Erlösers verkündete und Raphael nur der Begleiter und Beschützer des Tobias war. Wie der Christ die Evangelisten, Apostel und Heiligen seiner Kirche schätzt, so ist der Jude von den bemerkenswerten Personen des Alten Testaments umso mehr in Besitz genommen, weil er darin seine Vorfahren und Verwandte findet. Daher nehmen die Juden fast alle ihre Namen aus der Bibel. Zu den häufigsten Namen gehören: Abraham, Isaak, Jakob, Israel, Juda, Ruben, Levi, Ephraim, Joseph, Benjamin, Mose, Aaron, Josua, Simson, Eli, Samuel, Jonathan, David, Salomo, Nathan, Jonas, Daniel, Eva, Sara, Rebecca, Rachel, Lea, Miriam, Esther, Judith usw. Und dies kann vielleicht dazu beigetragen haben, dass die Christen so selten Namen aus dem Alten Testament und stattdessen so viele Namen aus dem Kreis der Heiligen genommen haben, um sich von den Juden, dieser von ihnen so sehr verhassten und unterdrückten Nation, auch dadurch abzuheben.


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