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Kündigung eines ehemaligen Betriebsratsmitglieds

So funktioniert die Kündigung eines Betriebsrats

Juristische Fragen sind komplex und werden daher im Allgemeinen gerne in simplifizierenden Leitsätzen zusammengefasst. Einmal in die Welt gesetzt, werden solche "Losungen" nicht nur sehr schnell weiterverbreitet, sondern sie halten sich auch besonders hartnäckig - selbst dann, wenn sie fehlerhaft sind. Eine davon ist die Erzählung von der Unkündbarkeit eines Betriebsrats.

  1. Unkündbarkeit ist ein Irrglaube
  2. Reguläre Kündigung nur in speziellen Fällen
  3. Außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds
  4. Formalitäten der außerordentlichen Kündigung
  5. Nachwirkender Kündigungsschutz
  6. Schutz von stellvertretenden Betriebsratsmitgliedern
  7. Resümee
  8. Hinweis für die Praxis

1. Unkündbarkeit ist ein Irrglaube

Auch wenn dieser Trugschluss weit verbreitet ist: Schlichtweg unkündbar sind Betriebsratsmitglieder keineswegs. Vielmehr ist es zutreffend, dass ihnen nur unter erschwerten Bedingungen gekündigt werden kann, für sie also ein besonderer Kündigungsschutz gilt. Dadurch wollte der Gesetzgeber gewährleisten, dass die Interessenvertretung der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber entschieden auftreten kann, ohne unter dem Druck zu stehen, sich eventuell unbeliebt zu machen und dadurch möglicherweise sogar ihren Arbeitsplatz zu gefährden. Unter welchen Prämissen kann sich ein Arbeitgeber aber von einem Betriebsrat trennen? Um diese Frage zu beantworten, ist eine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Arten der Kündigung erforderlich.


2. Ordentliche Kündigung nur in speziellen Fällen

Der Paragraph 15 Absatz 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) untersagt die termingerechte, sogenannte ordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern. Sie kann normalen Arbeitnehmern aufgrund von persönlichen, verhaltensbedingten oder betriebsbedingten Gründen (z.B. aufgrund von Personalabbau) ausgesprochen werden. Die Kündigungsfrist richtet sich, sofern im Arbeitsvertrag bzw. Tarifvertrag nichts Abweichendes vereinbart wurde, nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, Paragraph 622 BGB.

Es gibt jedoch Ausnahmen von dem Verbot der ordentlichen Kündigung eines Betriebsrats. Wenn beispielsweise sein gesamtes Unternehmen geschlossen wird, so kann auch ihm zum Zeitpunkt der Schließung gekündigt werden, bei zwingenden betrieblichen Gründen sogar bereits vorher. Wird lediglich ein Teil des Betriebs geschlossen, muss das Betriebsratsmitglied hingegen vorrangig in einer anderen Abteilung weiterbeschäftigt werden. Eine Kündigung ist dann nur statthaft, wenn eine Beschäftigung in einer anderen Abteilung aus betrieblichen Erwägungen nicht umsetzbar ist, was der Arbeitgeber im Streitfall stichhaltig zu argumentieren und zu belegen hat. Es kann ihm sogar zugemutet werden, Arbeitsabläufe umzuorganisieren, um den Mitarbeiter weiterhin zu beschäftigen. Vor einer regulären Kündigung ist das Gremium Betriebsrat laut Betriebsverfassungsgesetz anzuhören (Paragraph 102 BetrVG).

3. Außerordentliche Kündigung eines Betriebsrats

Die fristlose Kündigung eines Betriebsrats ist hingegen - wie bei jedem anderen Arbeitnehmer auch - zulässig, wenn gewichtige Gründe vorliegen, die eine unverzügliche Kündigung rechtfertigen (Paragraph 626 BGB), d.h. wenn dem Arbeitgeber eine fortgesetzte Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar ist. Von der Rechtsprechung wurde dies beispielsweise in folgenden Fällen anerkannt:

Voraussetzung ist dabei aber stets, dass das Vertrauen des Arbeitgebers in den Arbeitnehmer in dem Maße erschüttert ist, dass von ihm ein Abwarten der Kündigungsfrist nicht gefordert werden kann (siehe Bundesarbeitsgericht v. 10.06.2010 - Az. 2 AZR 541/09 - Fall "Emmely"). Dies muss der Arbeitgeber präzise begründen. Auch ist - wie immer - zu prüfen, ob der Arbeitnehmer bereits wegen eines vergleichbaren Fehlverhaltens abgemahnt wurde bzw. ob eine Abmahnung entbehrlich war.

Beispiel aus der Praxis: Laut dem Arbeitsgericht Köln ist die außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds rechtmäßig, wenn es einen anderen Betriebsrat durch Affenlaute während eines Wortwechsels („Ugah Ugah“) rassistisch beleidigt (Urteil vom 09.11.2018 – Az. 18 Ca 7824/17).
 
Dabei wurde auch berücksichtigt, dass der Gekündigte bereits in der Vergangenheit wegen ähnlicher Verhaltensweisen abgemahnt worden war und sich im Nachgang an die Beleidigung äußerst uneinsichtig gezeigt hat. Die Berufung des Gekündigten vor dem Landesarbeitsgericht Köln scheiterte (Urteil vom 06.06.2019 – Az. 4 Sa 18/19) – ebenso die Beschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 23.02.2019 – Az. 2 AZN 824/19).
 
Das anschließend angerufene Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Arbeitsgerichte die Bedeutung der Meinungsfreiheit nicht verkannt haben (Beschluss vom 02.11.2020 – Az. 1 BvR 2727/19). Eine menschenverachtende Diskriminierung – so wie es die Äußerungen des Gekündigten sind – lasse sich nach Ansicht der Karlsruher Richter nicht unter Berufung auf die Meinungsfreiheit rechtfertigen.

Einen Sonderfall stellt die sogenannte Verdachtskündigung dar. Wenn ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten nicht tatsächlich nachgewiesen ist, jedoch ein dringender Verdacht besteht, kann eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden, wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um den Vorwurf aufzuklären, und eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters nicht mehr zumutbar ist. Hier ist stets zu prüfen, ob das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers das Interesse des Arbeitnehmers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überwiegt.

Wenn ein Betriebsratsmitglied jedoch lediglich eine Verfehlung begangen hat, die nicht besonders schwerwiegend ist und die bei einem regulären Arbeitnehmer deshalb keine fristlose, sondern lediglich eine ordentliche fristgerechte Kündigung zur Folge hätte, so kann ihm überhaupt nicht gekündigt werden, denn vor einer ordentlichen Kündigung ist er ja gesetzlich besonders geschützt.

Beispiel: Eine Betriebsrätin, die seit vielen Jahren im Betrieb beschäftigt ist und sich zuvor nie etwas hat zu Schulden kommen lassen, entwendet Eigentum des Arbeitgebers im Wert von einem Euro. Eine fristlose (sofortige) Kündigung wäre in diesem Fall, bei einer bisher unbescholtenen, nicht abgemahnten Mitarbeiterin und einem Bagatellvergehen, unangemessen. In Betracht käme deshalb nur eine fristgerechte ordentliche Kündigung. Aufgrund des Betriebsratsstatus genießt die Frau jedoch den Kündigungsschutz des Paragraph 15 Absatz 1 KSchG - sie kann deshalb gar nicht entlassen werden.

4. Formalien der außerordentlichen Kündigung

Eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund muss schriftlich innerhalb von vierzehn Tagen erfolgen, nachdem der Arbeitgeber von den Gegebenheiten (z.B. Diebstahl) Kenntnis erlangt hat, auf die er die Kündigung stützt (Paragraph 626 Absatz 2 BGB). Bei einer Verdachtskündigung aufgrund einer Straftat kann unter Umständen hiervon abgewichen werden, wenn der Arbeitgeber den Ausgang eines strafrechtlichen Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens abwarten möchte, bevor er eine außerordentliche Kündigung ausspricht.

Der Arbeitnehmer muss zudem die vorherige Zustimmung des Betriebsrats einholen (Paragraph 103 BetrVG). Eine nachträgliche Genehmigung reicht nicht aus! Verweigert das Gremium die Zustimmung, so kann diese auf Antrag durch einen Beschluss des Arbeitsgerichts ersetzt werden. Das Gericht gibt dem Antrag dann statt, wenn es die fristlose Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände als gerechtfertigt erachtet.

Bei der Einhaltung der Formalien lauert eine Stolperfalle für den Arbeitgeber: Einerseits muss er die fristlose Kündigung ja innerhalb von zwei Wochen aussprechen. Andererseits rennt ihm jedoch die Zeit davon, wenn der Betriebsrat als Gremium nicht zustimmt und die Angelegenheit vor Gericht geht. Denn bevor er die Kündigung aussprechen kann, muss er dann ja die gerichtliche Zustimmung abwarten; und selbst wenn diese rechtzeitig vorliegt, kann er immer noch nicht kündigen, da der Arbeitnehmer noch die Möglichkeit hat, gegen den Gerichtsbeschluss Rechtsmittel einzulegen (Beschwerde zum Landesarbeitsgericht LAG, gegebenenfalls auch noch Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht BAG). Die Rechtsprechung lässt es deshalb in der Praxis genügen, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat innerhalb der genannten vierzehn Tage um seine Zustimmung bittet und, sobald diese vorliegt oder gerichtlich ersetzt ist, unverzüglich und ohne Zögern die Kündigung ausspricht.


5. Nachwirkender Kündigungsschutz

Der Kündigungsschutz eines Betriebsrates endet nicht automatisch mit dem Ende seiner Amtszeit. Erst ein Jahr nach deren Ende kann ihm wieder wie einem normalen Arbeitnehmer gekündigt werden (nachwirkender Kündigungsschutz).

Dieses Verbot bezieht sich auf den Zeitpunkt der Kündigungserklärung. Das bedeutet: Wenn der Arbeitgeber einen ehemaligen Betriebsrat kündigen möchte, darf er die Kündigung erst ein Jahr nach Beendigung seiner Amtszeit aussprechen. Er darf also keine ordentliche Kündigung aussprechen, die bereits zum Zeitpunkt des Auslaufens des Kündigungsschutzes (ein Jahr nach Ende der Betriebsratsamtszeit) wirksam sein soll (sog. Auslauffrist), da dadurch der nachwirkende Kündigungsschutz zumindest partiell unterlaufen würde. Selbstverständlich muss der Arbeitgeber nach der Auslauffrist auch noch die für jeden Arbeitnehmer geltenden Kündigungsfristen und die sonstigen Kündigungsschutzbestimmungen berücksichtigen. Eine vorherige Zustimmung des Betriebsrats ist in den Fällen des nachwirkenden Kündigungsschutzes jedoch nicht mehr notwendig, sie gilt nur für aktive Betriebsratsmitglieder. Es genügt vielmehr die Anhörung nach Paragraph 102 Absatz 2 BetrVG.

Wichtig zu wissen: Der nachwirkende Kündigungsschutz für ehemalige Betriebsräte greift dann nicht, wenn ihre Amtszeit nicht regulär endete, sondern sie durch eine Entscheidung des Arbeitsgerichts aus dem Gremium ausgeschlossen wurden, beispielsweise wegen Verletzung ihrer gesetzlichen Pflichten als Betriebsrat.

6. Schutz von Ersatzmitgliedern

Stellvertretende Mitglieder des Betriebsrats können sich in der Regel nicht auf einen besonderen Kündigungsschutz berufen. Diesen genießen sie nur dann, wenn sie zum Zeitpunkt der Kündigung entweder tatsächlich einen Betriebsrat vertreten haben oder endgültig in das Gremium aufgerückt sind, beispielsweise weil ein bisheriges Betriebsratsmitglied das Unternehmen verlassen hat.

7. Resümee

  • Betriebsratsmitglieder können nur in Ausnahmefällen ordentlich gekündigt werden, etwa bei Betriebsschließung.
  • Eine außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund ist möglich.
  • Der Betriebsrat als Gremium ist vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung anzuhören. Vor einer außerordentlichen Kündigung muss zusätzlich seine Zustimmung eingeholt werden. Diese kann vom Arbeitsgericht ersetzt werden.
  • Die außerordentliche Kündigung muss schriftlich innerhalb von zwei Wochen erfolgen, nachdem der Arbeitgeber von den Umständen, auf die er sie stützt, Kenntnis erlangt.
  • Der besondere Kündigungsschutz eines Betriebsrats endet ein Jahr nach Ende der Amtszeit.
  • Ersatzmitglieder des Betriebsrats fallen unter den Kündigungsschutz, wenn sie zum Zeitpunkt der Kündigung einen Betriebsrat vertreten haben oder in das Gremium nachgerückt sind.

8. Hinweis für die Praxis

Von der Kündigung eines Betriebsrats ist die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses auf andere Weise zu differenzieren. Diese kann beispielsweise durch eine wirksame Befristung oder aber durch eine Anfechtung des Arbeitsvertrags, etwa wegen falscher Angaben bei der Einstellung, erfolgen. Den Schutz des Paragraph 15 KSchG genießt ein Betriebsrat jedoch ausschließlich in dem Fall, dass tatsächlich eine Kündigung ausgesprochen wurde.

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Christina Gehrig arbeitet als Rechtsanwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei Hasselbach mit Standorten in Köln, Bonn und Frankfurt am Main. Sie berät Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Führungskräfte und Betriebsräte vor allem in Kündigungsschutzverfahren sowie bei Fragen zu Abfindung und Aufhebungsverträgen.

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