Abteiberg museum hans hollein
Eingangssituation MAK Wien, Foto: MAK/Mika K. Wisskirchen
Die Ausstellung Hollein im Wiener MAK wird durch eine gläserne Tür betreten. Links positioniert sind einige Fiberglasmodule, welche der österreichische Architekt Hans Hollein (1934-2014) für einen Messestand des Wachswarenherstellers Retti (1967, Wien) entwarf. An der Wand befindet sich die - vielen Österreichern bekannten - Z-Kugel (1969, Wien), eine orange-weiße Kugel mit dem Logo der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien, die sich dreht. Ein Detailfoto der Austriennale (1968, Mailand) ist als großformatige Wandtapete gegenüber dem Eingang angebracht. Rechts oben hängt ein Element der Boutique von Christa Metek (1967, Wien). Befolgt man die logische Anordnung der Ausstellung nach rechts, wird der Blick an einem schwebenden Teil einer Installation für die Wiener Möbelfirma Svoboda (SELECTION 66, 1966) festgehalten, welche Hollein im Auftrag von Peter Noever im MAK installierte. Die Besucher:innen tauchen in wenigen Augenblicken in die Welt von Hans Hollein ein, einer Welt des sozial-liberalen Wohlfahrtstaates der späten 1960er Jahre in Nachkriegs-Europa, zu dessen Merkmalen Messestände, Geldinstitute, Industrieausstellungen, Modeboutiquen und öffentliche Museen gehörten.
Grundriss der Ausstellung im MAK, Zeichnung: MAK
Die Ausstellung präsentiert sich durch die thematisch-assoziative Anordnung der Arbeiten Hans Holleins in einem langgestreckten Eingangsbereich, einem großen zentralen Raum und fünf quadratischen Bereichen, die in den Ecken erschlossen werden. Kurator:innen Wilfried Kühns und Marlies Wirth in Zusammenarbeit mit Samuel Korn vom Büro Kuehn Malvezzi installierten die Organisation, angelehnt am Museum Abteiberg Mönchengladbach, im MAK. Die Ausstellungsarchitektur dient der räumlichen Transposition des als Schlüsselfaktor für Holleins Werk bezeichneten Museums nach Wien. Gleichzeitig verknüpfen die Kuratoren das Kunstgewerbemuseum des 18. Jahrhunderts mit einer räumlichen Idee zur Vermittlung des späten 20. Jahrhunderts und erzeugen eine konzeptionelle Nähe zur gleichzeitigen Ausstellung Alles ist Architektur in Mönchengladbach, die von der dortigen Museumsdirektorin Susanne Titz und Wilfried Kühns konzipiert wurde.
Magazin BAU: Alles ist Architektur, Cover, 1968, © Archiv Hans Hollein
Hollein im MAK in Wien und Alles ist Architektur im Museum Abteiberg in Mönchengladbach waren als Jubiläumsausstellung zum 80. Geburtstag des Künstlers geplant. Die beiden Ausstellungen sollten das umfassende Werk des „internationalen Stararchitekten, einzigen österreichischen Pritzker-Preisträgers, Designers, Künstlers, Kurators, Ausstellungsmachers, Theoretikers, Lehrenden, Städteplaners, Medienvisionärs, Kulturanthropologen' (wie er im begleitenden Text des MAK überschrieben wird), feiern. Leider war Hollein schwer erkrankt und starb kurz nach seinem 80. Geburtstag.
Installationsansicht Museum Abteiberg Die Turnstunde, 1984, Foto: Uwe Riedel
Die Ausstellung in Mönchengladbach widmet sich Arbeiten zum Museumsbau, insbesondere den „künstlerisch' katalogisierten Werken der Sammlung. Die Ausstellung verbindet Holleins Werk mit der Kunstwelt durch die Gegenüberstellung von Objekten aus dem Museum und seinen Arbeiten. Diese essayistische Konzeption basiert auf einer persönlichen Auswahl und einem freien Umgang mit den Exponaten. So wurde beispielsweise die 1984 für das Museum Abteiberg entworfene Installation Die Turnstunde rekonstruiert, und auch Holleins Beitrag zur documenta 8 (1987) und die Beziehung zu Joseph Beuys wurden hervorgehoben.
Ausstellungsansicht Museum Abteiberg, Beitrag zur documenta 8 Kassel, Foto: Achim Kukulies
Durch die Ausstellung können erstmals Exponate aus dem bisher geschlossenen Archiv Hans Holleins präsentiert werden. Der Entwurfsprozess für das Museum Abteiberg lässt sich anhand von Arbeitsmodellen und Skizzen von Hollein und dem damaligen Museumsdirektor Johannes Cladders sowie Plänen rekonstruieren. Weniger gelungen ist die Präsentation des als Performance gedachten Projekts Mobiles Büro (1969), das als Design- oder Kunstobjekt präsentiert wurde.
Ausstellungsansicht Museum Abteiberg, Rekonstruktion des Entwurfsprozesses zum Museum Abteiberg, Foto: Achim Kukulies
In Wien begrüßen die Besucher:innen die Performance zum Mobilen Büro. Auf einem raumgreifenden Tisch steht ein Fernseher, der ein 30-minütiges Fernseh-Porträt von Hans Hollein (1969) zeigt. Das Mobile Büro ist ein Teil dieses Porträts. Der damalige 34-jährige Architekt präsentiert sich darin als ein hybrides Arbeitssubjekt, das sich mit Medieninnovationen und neuen Informationstechnologien befasst. Er ist kosmopolitischer Unternehmer und Kreativtyp.
MAK-Ausstellungsansicht, Foto: Peter Kainz/MAK
Dieser Eingangsbereich ist den medialen Objekten Holleins gewidmet, darunter seine Herausgeberschaft der Zeitschrift der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs, seine Ausstellungen und kleine Verkaufsdisplays wie das Kerzengeschäft Retti oder die Boutique CM, die hier wie in einem Archiv präsentiert werden.
Ausstellungsansicht MAK, Zentralraum mit Dokumentarfotografie von Aglaia Konrad und Armin Linke, Foto: MAK/Mika K. Wisskirchen
Im Zentralraum sind Fotografien von Aglaia Konrad und Armin Linke zu sehen, die den Status verschiedener Architekturen Hans Holleins dokumentieren. Dazu gehören die Medienlinien für den Olympiapark München (1972), das Vulcania Museum in der Auvergne (1994-97), das Museum für Glas und Keramik in Teheran (1977-78), und das Museum Abteiberg (1972-82).
Ausstellungsansicht MAK, Modell im Raum Display Architektur, Foto: MAK/Mika K. Wisskirchen
Der Raum Display Architektur zeigt Hochhäuser, Leuchten, Klavierfüße und Tischobjekte, die unter Betonung von Ähnlichkeiten in der Größenordnung und Anordnung präsentiert werden. An den Wänden sind Hochhausskizzen von Hollein zu sehen. Der folgende Raum ist den Stadtmodellen gewidmet, wobei sich die Kurator:innen mit Holleins kontextueller Architektur beschäftigen. Die Ausstellungstexte konzentrieren sich auf die Beziehung zwischen Objekt und Umgebung.
Der Raum Werk und Verhalten. Leben und Tod. Alltägliche Situationen zeigt Fragmente von Holleins Installation für den österreichischen Pavillon auf der Kunst-Biennale Venedig 1972. Im Raum Kunstwelten sind Holleins Museumsprojekte versammelt. Dort sind Modelle zentral angeordnet. Das Museum in Frankfurt, der Abteiberg, und das Museum im Berg in Salzburg sowie frühe experimentelle Studien zur Ausstellungsarchitektur werden gezeigt. Der Raum Gebaute Landschaften stellt Holleins Konzept von Umgebungen vor und zeigt seine Auseinandersetzung mit der Pueblo-Architektur Neu-Mexikos.
Architekturpille non-physical Environments, 1967, © Archiv Hans Hollein
Insbesondere die Ausstellung in Wien ist gelungen. Sie würdigt die Arbeit des virtuosen Nachkriegsarchitekten und untergräbt gleichzeitig subtil die bisherige hermetische Darstellung Wiens. Beide Ausstellungen setzen die Projekte selbst in den Vordergrund und ermöglichen einen ersten Blick auf eine Architektur, die ihren Ursprung im Wohlfahrtsstaat der 1960er und frühen 1970er Jahre findet. Die Bauvorhaben wie das Museum Abteiberg sind mit dem Niedergang einer bestimmten Ökonomie verbunden und müssen als beispielhafte Versuche zur Bewältigung der Krise betrachtet werden.
Austriennale, Österreichischer Beitrag auf der 14. Triennale di Milano, Italien, 1968, © Archiv Hans Hollein
Die Zusammenstellung der Eingangssituation in Wien zeigt implizit nicht nur das Geflecht von Konsum, Politik, Wirtschaft und Industrie, sondern auch Konfliktlinien der Gesellschaft im Jahre 1968. Die XIV. Triennale in Mailand, für die Hans Hollein den österreichischen Beitrag kuratierte, war nie für die Öffentlichkeit zugänglich und wurde zur Eröffnung von der „Versammlung der Arbeiter, Künstler und Studenten' besetzt.
Austriennale, Österreichischer Beitrag auf der 14. Triennale di Milano, Italien, 1968, © Archiv Hans Hollein
Die Aufgabe der Forschung der kommenden Jahre, so scheint es, ist in der Ausstellung von Wilfried Kühns und Marlies Wirth bereits angedeutet. Dieser Raum ist jedoch noch geschlossen und ergänzt derzeit nur grafisch die Geometrie des Ausstellungsgrundrisses.
Andreas Rumpfhuber
Zum Manifest "Alles ist Architektur" von Hans Hollein siehe auch Craig Buckleys Beitrag Vom Absolutem zu allem in ARCH+ 186/187
Am 28.9. findet im Museum Abteiberg in Mönchengladbach ein von Wilfried Kühns und Susanne Titz organisiertes Symposium statt. U. a. mit Eva Branscome, Oliver Elser, Léa-Catherine Szacka, Andreas Rumpfhuber, die alle Autoren in den jüngsten ARCH+ Ausgaben waren.
Mehr zum Programm: http://www.museum-abteiberg.de/index.php?id=739
[1] Vgl. dazu: Andreas Rumpfhuber: Architektur immaterieller Arbeit (Turia und Kant, Wien: 2013), S. 139-166
[2] Manfred Sack: Triennale-Tod auf italienisch. Nach der Eröffnung von Studenten und Künstlern okkupiert, in: Die Zeit, Jahrgang 1968, Ausgabe 23, 7. Juni 1968, online: http://www.zeit.de/1968/23/triennale-tod-auf-italienisch