Pharmakologische Unterstützung bei ADHS
Medikamentöse Interventionen bei ADHS
Die pharmakologische Behandlung bei Kindern, die von ADHS betroffen sind, kann eine wertvolle Ergänzung zu nicht-medikamentösen Therapien darstellen; mitunter ist sie sogar eine entscheidende Prämisse dafür, dass andere Behandlungsstrategien wirksam implementiert werden können. Zudem adaptieren sich bestimmte Kinder so vorteilhaft an die Medikation, dass außer einer routinemäßigen Überwachung und der Konsultation der Eltern keine zusätzlichen, umfassenden Interventionen notwendig werden.
Gemäß den Leitlinien der entsprechenden Fachgesellschaften wird unter den nachstehenden Voraussetzungen ein pharmakologischer Therapieversuch für Kinder und Heranwachsende mit ADHS ab einem Alter von sechs Jahren nach eingehender Konsultation nahegelegt:
- Falls eine erheblich ausgeprägte ADHS-Symptomatik besteht, die die schulische Performance, die Freizeitgestaltung des Kindes oder Heranwachsenden, oder das Miteinander in der Schule, in der Familie oder mit Gleichaltrigen merklich negativ beeinflusst;
- Falls im Verlauf einer Verhaltenstherapie keine ausreichende Linderung der ADHS-Symptomatik erzielt werden kann und weiterhin störende ADHS-Merkmale präsent sind.
Im Gegensatz dazu wird für Personen mit einer schwächer manifestierten Symptomatik initial eine Verhaltenstherapie präferiert. Dennoch ist die Bereitstellung verhaltenstherapeutischer Leistungen in etlichen Gebieten leider nicht ausreichend gesichert.
Beim Start einer pharmakologischen Behandlungsstrategie muss genau evaluiert werden, ob für den jeweiligen Patienten die Medikation die erhofften positiven Effekte hervorruft und welches Arzneimittel in welcher Menge optimal geeignet ist. Zusätzlich gilt es, potenzielle unerwünschte Begleiterscheinungen genau zu beobachten.
Gemäß den in Deutschland geltenden Fachrichtlinien werden für die pharmakologische Behandlung primär sogenannte Psychostimulanzien (als Medikamente der ersten Wahl) empfohlen; hierbei kommt vorrangig Methylphenidat, gegebenenfalls auch Dexamphetamin, zum Einsatz. Gleichwohl kann Atomoxetin unter gewissen Umständen ebenfalls als erstliniges Mittel verabreicht werden.
Methylphenidat, das als „Goldstandard' gilt, reguliert das Ungleichgewicht der Neurotransmitter im Gehirn; infolgedessen erreichen die therapierten Kinder eine höhere innere Ausgeglichenheit, vermögen Umwelteinflüsse effektiver zu verarbeiten und meistern ihren (schulischen) Alltag spürbar leichter. Allerdings hegen viele Eltern oft Sorge vor der Applikation eines sogenannten (Psycho)Stimulans an ihren Sprössling. Das hierbei eingesetzte Pharmakon ist entgegen der weitverbreiteten, jedoch unzutreffenden Annahme – oftmals durch die formelle Verschreibung auf einem Betäubungsmittelrezept bedingt – kein Sedativum, sondern vielmehr eine aktivierende (stimulierende) Substanz. Nach einer präzisen Diagnostik und umfassender Informierung des Patienten, seiner Eltern sowie der Betreuungspersonen wird die pharmakologische Therapie als äußerst effektiv, verlässlich und sicher eingestuft. Bislang sind keine nachhaltigen unerwünschten Wirkungen oder Abhängigkeitsrisiken bekannt. Des Weiteren belegte eine umfangreiche wissenschaftliche Untersuchung, dass die Verabreichung von Stimulanzien die effektivste Methode zur Verbesserung der primären ADHS-Symptome darstellt.
Methylphenidat führt bei 70 bis 80 Prozent der Kinder mit ADHS zu einer spürbaren Reduktion von Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität, während zugleich die Konzentrationsfähigkeit deutlich verbessert wird. Der Effekt setzt nach ungefähr dreißig bis fünfundvierzig Minuten ein und persistiert bei kurz wirksamen Medikamenten für annähernd vier Stunden. Die Dosisanpassung erfolgt gewichtsbezogen auf den jeweiligen Patienten; in Ausnahmefällen werden an Wochenenden und in den Schulferien Behandlungspausen ermöglicht. Alternativ ist Methylphenidat auch in einer Formulierung zur einmaligen täglichen Applikation verfügbar. Der Wirkstoff dieser Präparate wird in den Tabletten oder Kapseln im Organismus sukzessive freigegeben. Patienten, die eine ganztägige Symptomkontrolle wünschen, entbindet dies von der oftmals mühsamen und lästigen Notwendigkeit, das Medikament während des Schul- und Freizeitalltags wiederholt einzunehmen. Diese spezielle Wirkstoff-Formulierung sichert eine adäquate Versorgung mit Stimulanzien über den gesamten Tagesverlauf. Hierdurch erhalten auch die Eltern die Sicherheit und Gewissheit, dass ihr Kind die empfohlene Tagesdosis des Medikaments korrekt eingenommen hat.
Hinsichtlich Atomoxetin, dem zweiten in Deutschland anerkannten Wirkstoff, tritt die therapeutische Wirkung nicht sofort am ersten Tag ein, sondern stellt sich gewöhnlich erst nach ungefähr sechs Wochen ab Beginn der schrittweisen Dosisanpassung ein. Für dieses Arzneimittel ist im Zuge einer therapeutischen Erprobung eine graduelle Dosissteigerung erforderlich. Atomoxetin manifestiert seine Wirksamkeit zumeist über den kompletten Tagesverlauf. Die Verschreibung von Atomoxetin ist nicht auf einem gesonderten Rezeptformular erforderlich, da keinerlei Missbrauchspotenzial besteht. Ebenso bedarf auch die Therapie mit Atomoxetin einer kontinuierlichen Einnahme, welche durch wiederkehrende Auslassversuche begleitet sein sollte.
Unerwünschte Begleiterscheinungen der pharmakologischen ADHS-Behandlung
In der überwiegenden Zahl der Fälle treten während der Einnahme der Arzneimittel keine oder nur unerhebliche unerwünschte Begleiterscheinungen auf. Zudem sind unerwünschte Effekte oft nur temporärer Natur und sistieren vollständig nach dem Absetzen des jeweiligen Medikaments. Zu den häufigsten unerwünschten Reaktionen zählen Appetitminderung, Nausea und Schlafstörungen; bei der Anwendung von Psychostimulanzien können in einzelnen Fällen auch Puls- und Blutdruckerhöhungen auftreten. Eine temporäre Verlangsamung des Wachstums wird ebenfalls als seltene unerwünschte Begleiterscheinung registriert. Gewöhnlich sind diese unerwünschten Begleiterscheinungen jedoch nicht stark ausgeprägt oder lassen bei einer Reduktion der Dosis nach. Sollten Sie bei Ihrem Kind unerwartete Auffälligkeiten bemerken, ist es ratsam, umgehend ärztlichen Rat bei einem Spezialisten einzuholen. Selbst bei einer über einen längeren Zeitraum andauernden Medikation sind schwerwiegende unerwünschte Effekte selten zu verzeichnen.
Eine fortlaufende ärztliche Überwachung der Medikation, vorrangig der Dosis (z.B. inklusive Anpassung bei Körperwachstum und Gewichtszunahme), ist für alle Patienten unerlässlich, unabhängig vom Auftreten möglicher unerwünschter Reaktionen. Im Rahmen einer Langzeittherapie müssen Körpergewicht und -größe systematisch ärztlich überwacht werden, da ihre Entwicklung potenziell negativ beeinflusst werden könnte. Zudem sind Blutdruck und Herzfrequenz in regulären Intervallen zu überprüfen. Obgleich die medikamentöse Behandlung für die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen mit ausgeprägter ADHS-Problematik effektiv ist, existieren doch Fälle, in denen Patienten nicht von einer pharmakologischen Therapie profitieren oder unerwünschte Begleiterscheinungen aufweisen. Demzufolge ist eine präzise Evaluation der Effektivität und potenzieller unerwünschter Reaktionen im Rahmen eines kontrollierten Therapieversuchs unabdingbar. Die Kontinuität der Behandlung sollte in regelmäßigen Intervallen (speziell nach sechs bis zwölf Monaten) erneut evaluiert werden.